Zukünftige Herausforderungen des ÖPNV meistern – eine kurze Bestandsaufnahme

Der Klimawandel, der Krieg in der Ukraine und nicht zuletzt die Pandemie haben einen spürbaren Einfluss auf unsere Gesellschaft, die sich teilweise radikal den neuen Gegebenheiten anpassen muss. Die Mobilität hat einen hohen Stellenwert in unserem Leben und auch der ÖPNV bleibt von diesen strukturellen Veränderungen nicht verschont. Um die Klimaziele zu erreichen, bleibt nicht viel Zeit. Die Digitalisierung wird dabei eine wichtige Rolle spielen und ausschlaggebend wird sein, worauf wir heute schon aufbauen. Von Uwe Zobel, Verkehrsautomatisierung Berlin GmbH

Mit Blick auf die kommenden Veränderungen kristallisierten sich in den zahlreichen Foren auf der diesjährigen InnoTrans drei wesentliche Herausforderungen für den ÖPNV heraus:
- die Senkung der CO2-Emissionen mit gleichzeitiger Senkung der Energiekosten,
- die Personalgewinnung und -bindung und
- die Verbesserung des Mobilitätsmixes, um die Attraktivität des Angebotes zu steigern.

Die Verkehrsautomatisierung Berlin (VAB) beschäftigt sich seit vielen Jahren mit Digitalisierungsprojekten in diesem Umfeld und kann dabei bereits auf Grundlagen für die zukünftigen Anforderungen verweisen.

Senkung der CO2-Emissionen mit gleichzeitiger Senkung der Energiekosten
Die Senkung der CO2-Emissionen lässt sich nur durch eine entsprechende Elektrifizierung der Fahrzeugflotte erreichen. Dabei muss nicht nur die Antriebsart ausgetauscht, auch die Infrastruktur der Betriebe muss umgebaut werden und die Einsatz- und Abstellvarianten werden sich zum Teil gravierend ändern müssen. Eine entsprechende IT-Unterstützung muss gewährleisten, dass der Nutzungsgrad der Fahrzeuge vergleichbar mit den herkömmlichen Antrieben ist. Dazu hat die VAB ihr VABdepot Betriebshofmanagementsystem (BMS) um die notwendigen Funktionen zum Betrieb von E-Bussen erweitert. Mit unserer BMS-Erweiterung BMS E-Bus werden die Fahrzeuge entsprechend ihres aktuellen Ladezustandes auf den am besten passenden Umlauf disponiert. Mit der VABevSuite können Ladepunkte und -vorgänge bis hin zur Vorkonditionierung gesteuert und überwacht werden. Das Modul Lademanagement unserer VABevSuite sorgt für eine effiziente Nutzung der zur Verfügung stehenden Energie.

Auf der Strecke unterstützt VABnet – unser Intermodal Transport Control System (ITCS) – die Senkung der Energiekosten. Fahrzeugdaten, wie aktuelle Position, Geschwindigkeit, Stopps, Verspätungen und Verfrühungen, können sowohl Ad-hoc-Maßnahmen zur Vermeidung von unnötigem Energieverbrauch als auch planerische Maßnahmen in der Disposition unterstützen. Das integrierte Reichweiten-Monitoring unterstützt die Mitarbeitenden in der Leitstelle dabei, mögliche Umlaufgefährdungen frühzeitig zu erkennen.

Personalgewinnung und -bindung
Selten stand dieses Thema so im Mittelpunkt wie heute. Die Baby-boomer sind schon in Rente gegangen oder stehen kurz davor, und nicht nur aus soziographischen Gründen fehlt es zunehmend an Nachwuchskräften. Dies hat zur Folge, dass die Personalgewinnung sich zunehmend schwieriger gestaltet und erhöhte Kosten mit sich bringt. Mit der erwarteten Kostensteigerung werden aber gleichzeitig Alternativen attraktiv, die aufgrund ihrer damit verbundenen Entwicklungskosten vor ein paar Jahren noch undenkbar waren. Eine davon ist das autonome Fahren. 

Vornehmlich im Straßenbahnbereich bietet die VAB mit ihren VABtrack-Modulen schon heute Daten und Funktionen, die das autonome Fahren zukünftig unterstützen. Dazu gehören die Zielplatzdisposition, das Einstellen der Fahrstraßen, das Verarbeiten von Schleifeninformationen und das Reagieren auf Signale, die heute noch vom Fahrer ausgelöst werden, aber die zukünftig durch die Onboard-Elektronik gesteuert werden können. 

Auch im Bereich des Busverkehrs beteiligt sich die VAB an entsprechenden zukunftsweisenden Projekten. Hier werden die vorhandenen Daten und Funktionen von VABdepot und VABnet mit entsprechenden Fahrzeugdaten aus Umgebungssensoren und Bildschirmen bis hin zur Verkehrsschilderkennung angereichert. Auf Basis dieser Daten kann das autonome Fahren in den verschiedenen Levels Schritt für Schritt ermöglicht werden. Das erste Ziel – Level 4 auf dem Betriebshof – soll schon in wenigen Monaten erreicht werden.

Verbesserung des Mobilitätsmixes, um die Attraktivität des Angebotes zu steigern
Der Abbau von Hemmschwellen für den Ticketerwerb (z. B. bundesweite Gültigkeit) ist nur ein Teilaspekt dieses Ziels. Weit komplexer ist die Integration der „letzten Meile“, die ein wesentlicher Wettbewerbsfaktor im Vergleich mit dem Individualverkehr ist. Schon heute unterstützen multimodale Navigations-Apps wie Quixxit oder Ally den Fahrgast bei der Wahl des bequemsten und kostengünstigsten Verkehrsmittels von Haustür zu Haustür. Aber wie steht es mit der Zuverlässigkeit oder mit externen Einflüssen wie dem Wetter, das durchaus einen Einfluss auf die Wahl des Mittels für die letzten Meter hat. 

Ein ITCS kann dazu beitragen, die Attraktivität des ÖPNV flächendeckend zu steigern. VABnet hat z. B. Zugriff auf Fahrgastzahlen, die dazu beitragen können, ad-hoc die Nutzung bzw. den Bedarf von weiteren Verkehrsmitteln an einer bestimmten Haltestelle vorherzusagen. Moderne Kommunikationswege zwischen Leitstelle und Fahrzeug via Funk oder LTE unterstützen die Informationsweitergabe an Taxiunternehmen, die dann rechtzeitig ausreichend Fahrzeuge bereit-stellen können. Auch Sharing-Fahrzeuge könnten dann auf Wunsch der Fahrgäste mit entsprechenden Apps zeitgenau reserviert werden, ebenso wie Rufbusse. 

Die Zukunft des ÖPNV wird signifikant von einer voranschreitenden Digitalisierung in den einzelnen Produktionsbereichen geprägt sein. Die VAB hat dafür schon heute entsprechende Weichen gestellt. Ihre Systeme verarbeiten Daten aus Anlagen von Fahrzeugherstellern genauso wie Daten, die zum reibungslosen Ablauf der Geschäftsvorfälle genutzt werden (z. B. Fahrpläne). Diese Daten werden in den Modulen von VABnet, VABdepot und VABtrack veredelt und an entsprechende interne und externe Abnehmer übergeben. Dabei ist es unerheblich, ob die Abnehmer „Menschen“ in der Leitstelle, Fahrgäste oder aber Maschinen, wie z. B. integrierte Ampelsteuerungen, sind. 

Somit bilden die VAB-Produkte die Grundlage für weitere Entwicklungen, wie das Ermöglichen von autonomen Fahrten oder die Integration von ergänzenden Verkehrsmitteln. Mit der Nutzung von modernen Technologien wie z. B. künstlicher Intelligenz oder semantischen Analysen bereiten wir uns auf Ihre Zukunft vor. Noch ist viel zu tun – wir arbeiten daran.